Gegentakt Verstärker Betriebsart AB
Das zweite Beispiel unten zeigt das Schaltungsschema eines leistungsfähigen und typischen Röhren-Audioverstärkers, dessen beide Endpentoden EL34 nach dem Gegentaktprinzip arbeiten – im Gegensatz zum äußerst wirkungsgradschwachen Eintakt-Verstärker teilen sich in der Ausgangsstufe zwei Röhren die Verstärkungsarbeit, indem eine Röhre für die positiven Spannungen, die andere Röhre für die negativen Spannungen zuständig ist, was zu einer verbesserten Leistungsausbeute führt: wenn die eine Endröhre leitet, sperrt die andere und umgekehrt, der Gegentaktverstärker kann demzufolge andere Arbeitspunkte als Klasse A einnehmen. Das weitreichende Funktionsprinzip wurde bereits 1912 von dem kanadischen Elektronikingenieur Edwin H. Colpitts entwickelt.
Neben den Möglichkeiten eines Klasse A-Betriebs (hoher Ruhestrom) und des Klasse B-Betriebs (Crossover-Verzerrungen beim Nulldurchgang des Signals) hat sich beim Audio-Gegentaktverstärker vorwiegend die Betriebsart mit der günstigen Position AB des Arbeitspunktes auf der obigen Ug/Ia Röhren-Kennlinie durchgesetzt: ein geringer Ruhestrom lässt die Röhren bei kleinen Signalamplituden im Klasse A-Betrieb arbeiten, mit wachsender Aussteuerung geht der Verstärker allmählich in den Klasse B-Betrieb über, bei Vollaussteuerung arbeiten die Röhren vollständig in der Betriebsart B, was zu wesentlich höherer Ausgangsleistung und besserem Wirkungsgrad führt.
Gesteuert werden die Endröhren mit einem Schaltungsdesign des britischen Röhrenspezialisten D.T.N. Williamson, das unter dem Begriff Split Load Phaseninverter mit Treiberstufe bekannt geworden ist: da es in Analogie zu Halbleiterbauelementen keine komplementären Röhrentypen gibt, muss dieser Teil der Schaltung für die Phasenumkehr des Eingangssignals sorgen – die beiden Steuergitter der Endröhren benötigen zwei verstärkte amplitudengleiche, aber spiegelbildliche Signale, die symmetrisch zur Masse sind.
Das erste Triodensystem der ECC83 bewerkstelligt die notwendige Spannungsverstärkung des Eingangssignals, die zweite Triode der ECC83 ist der eigentliche Concertina (oder auch Kathodyn) Phasensplitter. An der Kathode und an der Anode der Concertina-Triode werden die beiden gegenphasigen Signale jeweils ausgekoppelt und an die beiden Treibertrioden der ECC85 weitergereicht, welche die beiden EL34-Endröhren im Gegentakt antreiben.
Für die Zusammenführung der Signale sowie die Leistungsanpassung an niederohmige Lautsprecher sorgt wiederum ein Ausgangsübertrager, der wegen des Gegentaktverfahrens auf der Primärseite über eine Mittelanzapfung verfügen muss. Eine einstellbare Über-Alles-Gegenkopplung von der Sekundärseite des Übertragers auf die Kathode der ersten Triode linearisiert den Frequenzgang und reduziert den Klirrfaktor.
Die Vorteile des Röhren-Gegentaktkonzepts Klasse-AB sind
höhere Ausgangsleistung bei gutem Wirkungsgrad,
vergleichsweise einfacher und preisgünstiger Ausgangsübertrager,
welcher nicht einseitig vormagnetisiert wird und deshalb weniger Verzerrungen erzeugt sowie
günstigere Toleranz gegenüber Restwelligkeiten der Anodenspannung.
Die Nachteile sind:
das wesentlich komplexere Schaltungsdesign, bei dem ein Signal in positive und negative Halbwellen gesplittet wird,
die dann getrennt verstärkt und erst im Trafo wieder zum Gesamtsignal summiert werden sowieder AB-Arbeitspunkt
führt zu Übernahmeverzerrungen.